Senioren am Steuer.
Auf den ersten Blick schien die Meldung der Deutschen Presseagentur dpa fast zu schön um wahr zu sein. „Die Autoversicherer liefern sich in diesem Jahr eine beispiellose Preisschlacht“, hieß die Schlagzeile. „Zur Freude der Kunden, denn die Prämien sinken zum Teil drastisch.“ Vor allem in der Haftpflicht ginge es mit den Beiträgen steil bergab, rechtzeitig zum letztmöglichen Kündigungsstichtag am 30. November erreiche die Preisschlacht ihren Höhepunkt. Doch was wie Musik in den Ohren bundesdeutscher Autofahrer und Autofahrerinnen mit ihren insgesamt 61 Millionen Kfz-Haftpflichtverträgen und zusätzlich rund 45 Millionen freiwilliger Teil- und Vollkaskoverträge klingt, ist leider nur ein Stück des Konzerts. Viele Kunden müssen von Jahr zu Jahr tiefer in die Tasche greifen ohne dass sie mehr Unfälle bauen und ohne Vorankündigung. Die Gelackmeierten sind in diesem Fall die Senioren am Steuer sobald sie 60 oder 65 Jahre alt geworden sind.
Mit steigendem Alter klettern auch die Prämien für die Autoversicherung – je nach Assekuranz-Unternehmen mehr oder weniger dramatisch. Das gemeinnützige Online-Verbrauchermagazin Finanztipp wies kürzlich nach: Ein 75-Jähriger muss möglicherweise fast 40 Prozent mehr für seine Police zahlen als ein 20 Jahre jüngerer. „Wir haben herausgefunden, dass die Kfz-Versicherung bei einigen Anbietern bereits ab dem 60. Lebensjahr mehr kostet“, sagt Finanztip-Expertin Annika Krempel. 65-Jährige zahlen je nach Versicherer schon bis zu zwölf Prozent drauf. Für 70-Jährige kostet die Autoversicherung bei manchen Anbietern rund 20 Prozent mehr als für 55-Jährige im selben Tarif. Ab 75 Jahren wird es richtig teuer: Hier verlangen manche Anbieter bis zu 37 Prozent Aufschlag. Gerade Leute, die ihr Leben lang unfallfrei gefahren sind, spüren die Beitragsexplosion besonders schmerzhaft. Sie haben die höchste Schadenfreiheitsklasse SF 35 erreicht und müssen nun zusehen, wie ihre Versicherung Zug um Zug trotzdem teurer wird.
Die Probe aufs Exempel bringt es an den Tag. Als Beispiel dient ein mittelständisches Rentnerehepaar mit eigenem Reihenhaus im Bergischen Land vor den Toren Kölns und erst kürzlich erworbenem, für diese Altersklasse besonders typischen Fahrzeug: Ein Ford B-Max wegen dem für Senioren dank hinterer Schiebetür und fehlender B-Säule besonders bequemen Einstieg, seiner höheren Sitzposition für besseren Überblick und dem sparsamen Dreizylinder-Ecoboost-Motor mit 74 kW / 100 PS. Da das Auto noch fast neu ist, soll es zusätzlich zur Haftpflicht Vollkasko versichert werden (300 Euro Selbstbeteiligung in der Vollkasko und 150 Euro Selbstbeteiligung in der Teilkasko).
„Um die günstigste Kfz-Versicherung zu finden, gibt es unzählige Vergleichsseiten im Internet“, sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von Finanztip. „Leider vermittelt kein Portal alle Versicherer und keines liefert immer den besten Preis.“ Am besten schneidet laut Tenhagen der Vergleichsrechner von Check24 ab. Den sollten Verbraucher nutzen und zusätzlich den Preis bei Verivox oder beim Direktversicherer Huk24 abfragen. Mit einer dieser zwei Kombinationen findet man fast immer einen preiswerten Tarif.
Hätte das Beispiel-Paar aus dem Bergischen das Alter von 60 Jahren gerade erreicht, müsste es für die laut Check24 billigste Versicherung 249,88 Euro (AllSecur) oder 250,94 Euro (DEVK) im Jahr zahlen, bei den teuersten Unternehmen wären 487,89 Euro (Signal Iduna) oder 465,80 Euro (die Bayerische) fällig. Mit 65 wäre es schon spürbar teurer: Von 260,73 Euro (AllSecur) oder 271,45 Euro (R+V24) bis 482,57 Euro (janitos) oder 482,14 (Badische Versicherungen). Für 70jährige sind AllSecur (293,08 Euro) und R+V24 (299,09) die preiswertesten, janitos mit 517,64 Euro und HDi mit 510,75 Euro die teuersten. Richtig teuer wird es für Autofahrer und Autofahrerinnen, wenn sie das 75. Lebensjahr vollendet haben. Dann ist unter 369,60 Euro (direct line) oder 370,18 Euro (DEVK) nichts zu machen, am teuersten kommt es bei der Nürnberger (676,96 Euro) und Cosmos Direkt (675,09 Euro).
Der drastische Zuschlag ab 75 ist verständlich, denn ab diesem Alter ist es um die Verkehrssicherheit der Senioren schlecht bestellt. Die Sehkraft lässt nach, ebenso die Reaktionsgeschwindigkeit. Dennoch: Der ADAC sieht in den Senioren am Steuer keine besondere Gefahr. „Die größte Gefahr geht von den jungen wilden Fahrern zwischen 18 und 24 Jahren aus. Statistisch gesehen stellen über 65-Jährige kein erhöhtes Risiko dar“, heißt es. Erst ab 75 Jahren gibt es in der Unfallstatistik einen moderaten Anstieg. In den Auswertungen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats nähern sich die über 75-Jährigen als Unfallverursacher den jungen, unerfahrenen Autofahrern an. Trotzdem seien sie kein Sicherheitsrisiko, sagt Pressechef Sven Rademacher. „Viele Ältere meiden gefährliche Situationen, indem sie nachts, im Winter oder bei Regen nicht Autofahren.“
Doch obwohl Senioren laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil seltener in Verkehrsunfälle verwickelt sind, halten die meisten Kfz-Versicherungen ältere Fahrer für ein Sicherheitsrisiko und kassieren entsprechend ab – ohne Vorwarnung. Deshalb ist es für Senioren besonders wichtig, Vergleiche für ihre Autoversicherung anzustellen. Ist ihnen eine Recherche im Internet zu mühsam oder zu kompliziert, empfiehlt sich der Gang zu einem freien Versicherungsmakler. Dessen Kosten übernehmen in aller Regel die Assekuranzen. Doch Achtung – die Zeit drängt. Letzter Kündigungstermin für dieses Jahr ist der 30. November 2015. Von Hans-Robert Richarz (ampnet/hrr) Foto: Auto-Medienportal.Net/Aged Car Guide