Vorfreude und Frust – beide Gefühle wechseln sich ab, nähert man sich in diesen teilweise noch wechselhaften Tagen dem Jaguar F-Type Roadster. Zu gern würde man sich den Wind um die Nase wehen lassen, aber es regnet zwischendurch. Zu gern würde man das Gaspedal mal ganz durchtreten, aber die Winterreifen bremsen einen ein. Nicht, dass man unbedingt ans Limit gehen müsste, um Freude am F-Type zu haben – aber wir empfanden die Lücke bis zur „Vau max 300“ als gebremsten Schaum, obwohl wir auf der Autobahn nie auch nur in die Nähe der Höchstgeschwindigkeit hätten kommen können. So viel zum Frust.
Vorfreude auf den F-Type stellt sich ein, sowie er ins Blickfeld gerät. Die gelungene Mischung aus dem Besten des britischen Sportwagen-Designs mit unverkennbar italienischen Elementen wirkt höchst erotisch. Nicht viele der aktuellen Sportwagen ziehen die Blicke beiderlei Geschlechts derart auf sich. Jaguars Chef-Designer Ian Callum hat mit dem F-Type eine Ikone geschaffen, die dem Vorgänger E-Type zur Ehre gereicht: klassische Proportionen mit langer Haube, weit hinten sitzendem Fahrerabteil, eine zeitlos elegante Form mit glatten Flächen – die Türgriffe treten erst hervor, wenn der Fahrer das per Fernbedienung befiehlt – und sinnlichen Rundungen sowie einem offenen, starken Gesicht und einem bulligen Rücken mit breiten Schultern für die 20-Zoll-Schlappen.
So kennt man das auch vom E-Type, wenn auch ohne Fernbedienung. Vor 40 Jahren lief der letzte E-Type vom Band und löst heute beim Betrachter immer noch Begeisterung aus. Da war es nur folgerichtig, aber auch mutig, dass Jaguar für den F-Type dessen Vorgänger zitiert und ihn so dem Vergleich aussetzt. Das Management kann sich bei Callum und seinem Team bedanken, denn auch der F-Type hat das Zeug zur Ikone.
Auch innen bleibt den Neue dem Charakter seines Vorbilds treu: alles für Motor, Fahrwerk und die beiden Menschen im kleinen Sitzabteil, aber so gut wie nichts für Überflüssiges wie Gepäck. Bezeichnenderweise gibt Jaguar das Kofferraumvolumen auf den Deziliter genau an: 196,2 Liter soll der fassen, wenn es einem gelingt, Spezialgepäck zu erwerben oder man mit Plastiktüten reisen mag. Auch vorn bleibt kaum mehr Platz als für Führerschein, Ausweis und die in der Werbung statt Gepäck mitgeführte Kreditkarte. Türablagen, Handschuhfach, zwei Becherhalter und ein Fach in dem massiven Mitteltunnel müssen genügen.
Das ist einem vollständig egal, sobald man sich auf den Sportsitz mit integrierter Kopfstütze gleiten lässt. Hier siegt sofort der Spieltrieb. Mäntel und Aktentasche werden sowieso überschätzt. Außerdem passen die ja sehr gut in den Kofferraum. Jetzt fällt der Blick erst einmal auf das kleine, dicke Multifunktionslenkrad mit den orangefarbenen Schaltpaddeln des Acht-Gang-Doppelkupplungsgetriebes (Speedshift) und die beiden großen Rundinstrumente mit einem kleinen Display dazwischen.
Alle anderen Elemente zum Einstellen der Funktionen und zur Anzeige des Infotainmentsystems sind in der Mitte konzentriert. Gut erreichbar zwar, aber die Musik spielt im Blickfeld des Fahrers. Hier hat er alles im Blick; denn im Gegensatz zu den Sportlern der 60er und 70er Jahre ist der Armaturenträger kein Uhrenladen. Das gab den Designern die Chance für ein insgesamt flaches Armaturenbrett, das den Eindruck der Enge optisch dämpft. Dennoch sind nicht nur die Chronographen-Skalen der Rundinstrumente ein Hinweis auf einen bewussten Verzicht auf Modernität im Fahrerumfeld. Der Jaguar lockt nicht mit „Allways on“-Angeboten oder einer hippen Navigation mit großem Bildschirm. Hier geht’s ums Fahren und nur ums Fahren.
Also auf geht’s. Nach einem kurzen Druck auf den Startknopf brüllt der Achtzylinder auf wie ein schlafender Löwe, dem ein Elefant auf seine Pranken steigt. Das schränkt die Nutzungsdauer des Jaguar in bewohnten Gebieten ein wenig ein, wenn man keine Tiefgarage hat und seine Nachbarn nicht ärgern möchte. Nach kurzer Zeit brabbelt der Achtzylinder aus fünf Litern Hubraum dann leise das Lied von der Vorfreude.
364 kW / 495 PS und ein maximales Drehmoment von 635 Newtonmeter schon ab 2500 Umdrehungen pro Minute warten scheinbar geduldig darauf, auf die Hinterräder losgelassen zu werden. Der E-Type hat sogar eine Taste für das Eco-Fahrprogramm. Aber der Regler für den Sportbetrieb wird so manchen F-Type-Dompteur mehr locken als die Aussicht auf günstigeren Verbrauch. Der soll im Schnitt nach der EU-Norm bei 11,1 Litern auf 100 km liegen. Bei uns blies der Kompressor bei gemischtem Betrieb rund 13 Litern und viel dicke Luft durch die Zylinder.
Wird der F-Type gefordert, erzeugt er eine Geräuschkulisse, wie man sie von Rennstrecken kennt: Der Motor brüllt, bei Schalten patscht unverbrannter Sprit aus den vier Endrohren des Sportauspuffs. Dem kann man dieses vorlaute Verhalten auch abverlangen, wenn man beim Fahren nichts aufs Ganze geht. Ein Tastendruck bringt die Geräuschkulisse auch schon vorher ins Spiel. Es soll F-Type-Fahrer geben, die selbst in Ortschaften auf dieses auffällige Statussymbol nicht verzichten mögen.
Dieses Vergnügen der besonderen Art lässt sich natürlich am besten erleben, wenn man kein Dach über dem Kopf hat. Das mehrlagige Stoffverdeck fährt elektrisch in 20 Sekunden in sein Fach hinter dem Passagierabteil. Bis zu 50 km/h darf der Jaguar dabei schnell sein. Offen fällt einem erst auf, wie eingeengt der Blick vorher war: kleine Seitenfenster und eine bescheidene Sicht nach hinten. Ohne Dach aber bringt der Roadster genau das Gefühl mit Suchtpotenzial, das zur Optik und zum Motor passt. Deswegen bedauert man schon beim ersten Sonnenstrahl die Fahrer des F-Type Coupés.
Offen zeigt der F-Type seinen wahren Charakter. Er ist nicht der Supersportwagen für Rekordfahrten auf Rundstrecken. Der besondere Genuss liegt in der unbändigen Kraft, wenn die fünf Liter Hubraum den Jaguar aus engen Kurven schieben. Die 4,3 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h sind der theoretische Beleg für diese Aussage. Doch die Theorie verblasst neben der Praxis. Niemand hat vor dem F-Type gewusst, dass ein Jaguar seinen Fahrer so nach vorn brüllen kann. Das rockt gewaltig.
Mit seinen rund 85 000 Euro Basispreis liegt der Jaguar F-Type zwischen dem Porsche Boxster S (ab 60 000 Euro) und dem Carrera S Cabrio (ab 117 000 Euro). Manche meinen, der Jaguar empfehle sich deswegen als Alternative zum 911er. Solche Ansichten aus Deutschland unterstreichen den Erfolg der Briten, für die der F-Type eher ein Motor für die Entwicklung der Marke darstellt. Den Erfolg am Markt nehmen sie gern mit, wenn denn genug Jaguar F-Type gebaut werden, um die Nachfrage zu erfüllen. Von Peter Schwerdtmann (ampnet/Sm)
Daten Jaguar F-Type V8 S
Länge x Breite x Höhe (m): 4,47 x 1,92 x 1,32
Motor: R8-Benziner, 5000 ccm, Kompressor
Leistung: 364 kW / 495 PS bei 6500 U/min
Max. Drehmoment: 625 Nm zwischen 2500 – 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,3 Sek.
Verbrauch (nach EU-Norm): 11,1 Liter
CO2-Emissionen: 259 g/km (Euro 5)
Effizienzklasse: G
Leergewicht: 1665 kg
Kofferraumvolumen: 196,2 Liter
Basispreis: 84 900 Euro